In jeder Sekunde sterben in unserem Körper Zellen. Wenn unsere Haut sich nicht ständig erneuern würde, hätten wir noch im Rentenalter die Filzstift-Streifen aus Kindertagen an den Fingern. Wenn sich unsere Muskeln nicht ihrer Belastung anpassen könnten, wären Bodybuilding-Studios wirklich nur noch Folterkammern. Und wenn sich nicht sogar Leberzellen wieder teilen könnten, wären trockene Alkoholiker auf Organspenden angewiesen. Was in der Embryonalentwicklung seinen Höhepunkt findet, bleibt das Leben lang unsere Bestandsgarantie: Zellen müssen sich teilen können.
Eine
teilungsfähige Zelle durchläuft einen Kreislauf aus Ruhe-, Arbeits- und
Teilungsphasen. Die Zeit zwischen zwei Teilungen nennt man Interphase,
die Teilung selbst Mitose. Bei den weitaus meisten Körperzellen ist die
Interphase der Dauerzustand. Sie teilen sich nicht mehr. Diese Zellen
sind in die G0-Phase eingetreten (das G stammt vom englischen Wort "gap"
für "Pause") und können sich nur in seltenen Fällen wieder teilen - ein
Beispiel dafür sind die Zellen einer geschädigten Leber. Erhalten sie
das Signal, sich wieder zu teilen, treten sie in die G1-Phase ein, die
den Beginn einer neuen Teilungsperiode charakterisiert.
Der
erste Schritt zur Teilung ist die Verdopplung der Zellinhaltsstoffe und
der DNA. Da beide Tochterzellen das gleiche Erbgut erhalten sollen,
müssen die Chromosomen repliziert werden.
Das geschieht in der Synthese-
oder S-Phase. Daran schließt sich eine Ruhephase an G2-Phase genannt, bevor die eigentliche Mitose beginnt. Die zwei identischen
Tochterstränge eines Chromosoms nennt man Chromatiden. Im Laufe der
Mitose wird die Kernmembran aufgelöst, die Schwesterchromatiden werden
getrennt, an gegenüber liegende Enden der Zelle gebracht und wieder in
Kernhüllen verpackt.
Alle anderen Zellbestandteile verteilen sich in die
zwei Zellhälften, die Zellmembran schnürt sich in der Mitte ab, und es
entstehen zwei Tochterzellen.Bei ausreichendem Nahrungsangebot sind
Zellen unsterblich: Theoretisch können sie sich unendlich teilen. Im
Körper muss die Zellteilung daher streng beschränkt sein. Tatsächlich
dürfen nur spezielle Stammzellen den Nachschub für das jeweilige Gewebe
bilden, und zwar genau in dem Maße, wie Zellen abgestorben sind. Das
klingt nach einer klaren Vorgabe wie kompliziert diese Kontrolle ist,
merkt man erst, wenn sie nicht mehr funktioniert: Krebszellen haben sich
durch eine Vielzahl von Mutationen genau dieser Kontrolle entzogen.
Als
Krebs bezeichnet die Medizin das autonome, ungesteuerte und
zerstörerische Wachstum von körpereigenem Gewebe. Die These der
"klonalen" Krebsentstehung besagt, daß die Milliarden von wuchernden
Zellen, aus denen ein Tumor besteht, einer einzigen Ursprungszelle
entstammen, die sich wieder und wieder geteilt und damit selbst
verdoppelt hat - also sich fortwährend auf Kosten des gesamten
Organismus "klont". Normalerweise wird eine solche Form von biologischer
Anarchie im Körper durch ein ganzes System von Kontrollmaßnahmen
unterdrückt. Gesunde Zellen teilen sich nur dann, wenn es der Organismus
erfordert, und schon gar nicht schlagen sie derart über die Stränge wie
eine Krebszelle.
Diese überwindet natürliche Barrieren und wächst auch
dort, wo sie normalerweise gar nichts zu suchen hat. Als eigentliche
Ursache für das bösartige Wachstum gelten heute Veränderungen in den
Erbanlagen der Geschwulstzelle, Mutationen genannt: Krebs ist eine
genetische Krankheit. Was wiederum in den allermeisten Fällen nicht
heißt, dass das Leiden vererbt wird. Denn im Laufe des Lebens können
Gen-Schäden, die z.B. durch UV-Strahlen und/oder chemische Substanzen
verursacht werden, dazu beitragen, daß eine Zelle "entartet" und Krebs
entsteht.
Als Onkogene werden Abschnitte im menschlichen Erbgut der Zelle bezeichnet, die eine krebserzeugende Aktivität besitzen. Onkogene entstehen durch Veränderung (Mutation) von Protoonkogenen. Protoonkogene können eine ganz harmlose "normale Funktion" in der Zelle ausüben. Werden diese aber verändert, erhalten Sie plötzlich eine neue Funktion, die sie in den Dienst der Krebserzeugung stellt. Typisch für die Funktion eines Onkogenes ist z.B. daß es ständig aktiv ist. Es kann in der Zelle ständig dazu beitragen einen bestimmten Wachstumsfaktor herzustellen, der dazu führt, daß die Zelle sich unaufhörlich teilt.
Die Gruppe der Tumorsuppressor-Gene stellen genau das Gegenteil der Onkogene dar. Sind die Tumorsuppressor-Gene intakt, leisten sie einen wichtigen Beitrag zum Zellwachstum. Ist das Gen durch Mutation ausgefallen, funktioniert die Zellbremse nicht mehr. Auch das "berühmteste" Krebs-Gen, genannt p53, gehört zu den Wachstumsbremsen. p53 ist bei ungefähr jedem zweiten Tumor ausgefallen. Als "Wächter des Erbguts" sorgt p53 dafür, dass die Zelle bei Gen-Schäden entweder ihr Wachstum einstellt oder kontrollierten Suizid ("Apoptose", siehe unten) begeht.
Im
gesunden Zustand besteht im Körper ein genetisch festgelegtes und
gesteuertes Gleichgewicht zwischen Zellteilung und Zelltod. Das
ungebremste Wachstum einer Krebszelle dagegen beruht auf einer Störung
der geregelten Zellteilung und des geregelten Zelltodes. Verschiedene
Signalwege, welche normalerweise das Selbstmordprogramm (Apoptose) in
einer geschädigten, gealterten oder entarteten Zelle einleiten müssten,
funktionieren in Krebszellen nicht mehr. Alle Therapieprinzipien bei
Krebserkrankungen (Chemotherapie, Strahlentherapie, Gentherapie) haben
gemeinsam, dass sie in den Tumorzellen das ausgeschaltete
Selbstmordprogramm wieder aktivieren sollen. Eine wirksame Tumortherapie
weckt die in den Krebszellen "schlafenden" Apoptose-Gene und löst so
den Selbstmord der Tumorzellen aus.
In
dem Kampf gegen Krebszellen hat aber unser Körper selbst noch eine
scharfe, absolut tödliche Waffe bereit, der sich selbst Krebszellen
nicht entziehen können: Lymphozyten. Eine Untergruppe davon sind die
kampfesfreudigen zytotoxischen T-Lymphozyten. Sie töten Krebszellen,
wenn sie sie erkennen (und das ist der springende Punkt!).
Diese T-Lymphozyten kleben sich an erkannte Krebszellen an und injizieren gleichsam in die Krebszellen ein bestimmtes Protein, das sie wie eine scharfe Waffe in sich tragen und das Granzym B genannt wird. Injiziertes Granzym B aktiviert machtvoll und massiv die Caspasen in den Krebszellen. Davor gibt es keinen Schutz! Und damit wird erreicht, was Krebszellen so geschickt verlernt haben: zu sterben. Zelltod ist in diesem Fall etwas Wunderbares!
Übrigens: Wir können auch "e-Rezept"